Traumarbeit mit Gestalttherapie (Beispiel einer Sitzung)

Klientin G berichtet zu Beginn der 7. Sitzung beiläufig über einen Traum, der ihr nicht wichtig erscheint und will sich in der Sitzung mit ihrem Kontrollbedürfnis und ihrem Kopf-Gespinsten beschäftigen.

Ich habe das Gefühl, dass sie das grade in den Kopf bringt und eher Arbeit an der unbewussten Ebene nötig wäre. Überzeuge sie daher ihren Traum anzuschauen.

Bei der Traumarbeit auf der Basis der Gestalttherapie nach Fritz Perls wird der Traum nicht interpretiert, sondern die Klientin erzählt den Traum aus verschiedenen Perspektiven immer wieder und gewinnt dadurch Einsichten, die ihr vorher verborgen waren und die zu einer deutlichen Verbesserung der Problematik beitragen können.

Traum: (zuerst wird der Traum erzählt)

Klientin G kommt in die KĂĽche, Markus (der Therapeut) hat Verkleidung der EinbaukĂĽche weggerĂĽckt.

G wundert sich, wie einfach das ging.

G ist erstaunt (in der neuen KĂĽche ist doch gar nichts zu tun.)

M sagt ‚dahinter ist Dreck, der weg muss’ (versteht G gar nicht)

G sieht weiĂźe und graue Flusen an der Wand (7-10 kleben an der Wand, genau in Reihen positioniert)

G sieht, dass die Flusen sich bewegen, blinzeln

G fragt, ‚sind das Mäuse?’ ‚was machen wir damit?’

M sagt: ‚Das sind Mäuse, die weg müssen – wir müssen die umbringen’

G fühlt sich schuldig (und versucht Schuld abzuwälzen, sagt,) das ist nicht meine Schuld, die des Vormieters. Ist ja altes Haus...

Die Mäuse kommen ja auch wieder, sind einfach da, da kann man nichts machen.

M sagt zu G sie solle einen Topf mit kochendem Wasser bringen um die Mäuse zu ertränken.

G will Wasser nicht holen, denkt man kann die Mäuse doch laufen lassen.

M sammelt sie ab

G sieht Topf mit toten Mäusen drin schwimmen und geht auf Distanz zu M.

- E N D -

 

Teile anschauen

Ganz klassisch könnte man jetzt anfangen den Traum zu interpretieren. Ganz offensichtlich mischt sich M sehr bestimmt in die Angelegenheiten von G ein und sie wehrt sich dagegen ...

In der Gestaltarbeit gehen wir jedoch jetzt anderst vor.

Ich führe G nacheinander in die verschiedenen relevanten Personen/Gegenstände/Teile des Traums. Ich frage sie womit sie anfangen will, und führe sie dann zum Haus (von außen nach innen). Die Klientin wird gebeten sich vorzustellen sie sei die Person oder der Gegenstand und den Traum aus dieser Perspektive nocheinmal zu erzählen. Die Annahme, die dahinter steht ist die, dass alle diese Elemente des Traums Anteile der Persönlichkeit sind, die sich im Traum zeigen.

Haus

Ich bin das Haus:

Ich bin alt & brĂĽchig

Die neue KĂĽche passt nicht zu mir

Ich bin alt (atmet schwer) bin ein bisschen verfallen

Da lebt viel Viehzeug – gefällt mir, dann bin ich nicht so alleine (ist das ist ein Thema von G, da sie seit 10 Jahren alleine lebt?)

Ich zweifle, ob die neue Küche zu mir gehört.

Da kommt jemand und nimmt die KĂĽche weg, das tut weh

Mir nimmt jemand was weg

Eigentlich will ich die KĂĽche nicht

Aber dieser M ist lieblos / brutal

Die Mäuse wärmen mich, strahlen Wärme aus, sind beweglich, sitzen fest

Gehört nicht zu mir / aber gut, dass es da ist

M nimmt mir was weg (Mäuse), das tut weh, ich werde wütend & traurig (Ich lasse sie da reinspüren, sie ist sonst eher im Kopf)

M ist völlig unsensibel, das verletzt mich

Ich bin traurig und verletzt, weil so lieblos mit mir umgegangen wird

Man geht ĂĽber mich hinweg

 

Eine zentrale Frage der Gestaltarbeit ist: ‚Was hat das (was das Haus hier erzählt) mit mir zu tun?’

Ich fĂĽhre die Klientin in die weiteren Traumelemente.

KĂĽche

Ich bin eine neue Küche und glänze

Bin in ollem Haus – ist mir nicht angemessen (sehr arroganter Tonfall)

Ich gehöre woanders hin

Da kommt jemand und nimmt mich weg

Das tut weh, dass jemand mir die Verbindung wegnimmt

Ich gehöre hier hin, bin verbunden

Ich bin empört – mir fehlt die Verbindung – sehne mich danach

Verstehe nicht, warum ich weggenommen werde

Würde mich in modernem Haus gar nicht wohl fühlen (da passiert Veränderung, aus Ablehnung des ollen Hauses wird Annahme)

Da wird was kaputt gemacht, wenn ich vom Haus getrennt werde

Verbindung fehlt – bin verloren und einsam

Der Dreck hinter der Verkleidung gehört dazu (Annahme)

Die Dunkelheit hinter der Verkleidung war gut, da waren die Wollmäuse geschützt

 

Ich führe sie dann, obwohl es ihr erst etwas unangenehm ist und sie nicht ‚dieser brutale Kerl’ sein will, in die Person des Markus hinein.

Markus

Ok, ich bin Markus.

Ich mache einfach, fast mechanisch

Gehe in die Küche, weiss die Einbauküche muss weg, sie stört

Sehe auf einen Blick, wie es weg geht

Das muss gemacht werden, das ist völlig klar   (feste klare Stimme. Ganz anderst als das Unverständnis aus der Sicht der anderen Teile)

Ich nehme das weg

An der Wand ist was zu machen / bin total beschäftigt

G kommt rein, fragt was ich mache

Ich sage die Wand muss repariert werden / die Löcher zugeschmiert

G scheint nicht zu begreifen, dass die Wand unbedingt repariert werden muss

Mäuse mĂĽssen ertränkt werden, damit sie sonst nichts mehr tun  (mit bestimmter Stimme)

Ich nehme den Dreck von der Wand, repariere die Wand

Fege den Dreck vom Boden

Stelle die KĂĽche wieder hin (hier  plötzliche Wendung, vorher war nur der Aspekt des kaputt-machens da, jetzt wird wieder zusammengebaut)

Mache einfach, was zu tun ist

(Ich helfe ihr immer wieder reinzuspĂĽren, wie es ihr damit geht und sie fĂĽhlt sich fest und gut damit)

Mäuse

Ich bin was weiches, flauschiges

Im Dunkeln an der Wand ist es gemĂĽtlich / warm / wohlig

Es wird plötzlich hell, kalt – unangenehmer Wind

Ich blinzle mit den Augen, was los ist

Ich fĂĽhle mich kritisch betrachtet, versuche mich kleiner zu machen zu verstecken, empfinde Bedrohung

Jemand zieht am Fell, tut weh, brutal, versuche mich festzuhalten, bin zu schwach

Lande in kaltem Wasser, bin verloren    (vorher war von heissem Wasser die Rede ...)

Verbindung, Wärme, Schutz fehlt – brutale Trennung

Habe keine Chance / sehe Armee-Stiefel

Nachdem der Klientin keine weiteren wichtigen Teile einfallen kann sich nun ein weiterer Schritt der Arbeit mit dem Traum anschliessen. Darin geht es darum, wieder aus der Perspektive der verschiedenen Teile, herauszufinden wie sich der Traum fortsetzten könnte. Da durch das Erleben der verschiedenen Positionen sich die eingeschränkte erste Perspektive geweitet hat kann nun darin oft eine Heilung geschehen.

Traum weiter träumen / Integration

Ich schlage der Klientin nun vor nochmal in die Teile zu gehen und den Traum weiter zu träumen. Sie will mit G, also ihrer eigenen Person im Traum, anfangen.

G

Ich gehe zu den Mäusen, und streichele sie, ich weiss aber, die müssen weg

Ich will sie in Freiheit lassen

Sind warm, weich, kuschelig

Ich weiss, das gehört zu mir – stört mich aber manchmal

Das ist der weiche Teil von mir, der selten gelebt wird (interessante Erkenntnis)

G spĂĽrt ihre TRAUER     (ich lasse sie da eine Weile hineinspĂĽren)

 Der weiche Teil wird dann symbolisch / kinästhetisch integriert, d.h. sie nimmt diesen weichen Teil in ihre Hände und fĂĽhrt diese langsam zu ihrer Brust, ihrem Herzen und nimmt sie in sich auf. Dabei wandelt sich die Trauer langsam in zarte Freude. Nach einer Weile des SpĂĽrens geht es mit dem nächsten Teil weiter.

KĂĽche

Ich gehöre zum alten Haus, auch wenn ich manchmal arrogant bin

Ich bin genau da, wo ich hingehöre

Für die Wollmäuse ist es gut, dass ich weg war (sie meint das von der Wand abmontiert gewesen zu sein. Aha, auch hier plötzlich eine andere Perspektive)

Da wurde was aufgedeckt und ist jetzt da wo es hingehört

(G wird zunehmend entspannter, resourcevoller)

 Ich sitze dabei und staune immer wieder welche Wandlungen da passieren.

Haus

Ich bin das Haus.

Es geht mir gut, die KĂĽche ist wieder da (aufatmen)

Da ist so ein warmer Teil in mir

Gut, dass die Wand Clear/leer ist – mir fehlt nichts, die Wärme ist auch so da.

Markus

Ich habe die Küche nur zerlegt um die Wollmäuse ans Licht zu bringen und der G zu geben

Ich mache die KĂĽche wieder ganz

Es ging gar nicht um den Dreck / die Reparatur sondern darum die Wollmäuse zu befreien (staun!!)

Wollmäuse

Wir sitzen an der Wand und es wird hell und warm (vorher war es kalt gewesen) / die Sonne scheint auf’s Fell

Ich spĂĽre sog zu G hin

Ich weiss plötzlich wo mein Platz ist – nicht im Dunkeln !!

Ich werde zu G bewegt / M bringt mich / fliege hin

Bin bei G auf der Haut, so dass sie meine Weichheit spürt, das ist was Schönes und Angenehmes

Gehe in die G hinein, breite mich in ihr aus (ich unterstütze den Integrationsprozess mit passenden Suggestionen / Vorschlägen)

Finde das ganz aufregend / spannend – noch vieles fremd, aber auch vertraut

Bin neugierig, will erkunden, darf kucken und neugierig sein

Ich gehöre hier hin, auch wenn’s noch bisschen fremd ist

FĂĽhlt sich an wie nach Hause gekommen sein

Ergebnis

Klientin ist sehr überrascht, was bei diesem ihr erst mal unwichtig erscheinenden Traum herauskam. Sie strahlt und es fühlt sich sehr rund an, was durch diese Integration und das ‚nach Hause kommen’ entstanden ist. Sie lernt immer mehr Teile anzunehmen, die sie auf Anhieb erst mal nicht so mochte und dadurch geschieht Veränderung.

 

Beispiele
Traumarbeit
Angst und Trauer
Das Loch
Traumarbeit

Quo Vadis

Institut für ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung

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